Ein romantisches Abenteuer voller Fabelwesen und Magie – für alle Leser*innen von Cassandra Clares »Chroniken der Unterwelt«

»›Majestät! Ihr müsst umgehend mit uns kommen.‹
Äh … Obwohl ich weiß, dass neben mir niemand ist, blicke ich sicherheitshalber nach links und rechts. Der kann ja mit Majestät unmöglich mich gemeint haben.«


Das Leben der angehenden Journalistin Pamina Candela gerät völlig aus den Fugen, nachdem sie in der U-Bahn mit einem jungen Mann zusammenstößt. Wer ist dieser Typ? Und warum verfolgt er sie? Doch das ist nur der Beginn eines Abenteuers, von dem sie nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Fabelwesen sind real und sie muss sich schnell damit arrangieren, denn alles Leben wird von dem Erzdämonen Abaddon bedroht und nur eine Allianz aus Fabelwesen des Lichtes und der Dunkelheit kann den Untergang der Welt verhindern. 


Leseprobe 


 1. In der U-Bahn ⁓ Pamina
Ich hasse U-Bahnfahren! Zu voll, zu stickig, zu laut. Aber immer noch besser, als sich durch den morgendlichen Großstadtverkehr zu quälen. Um diese Uhrzeit braucht man mit dem Auto gern mal anderthalb Stunden. Mit der U-Bahn keine dreißig Minuten.

Außerdem ist es viel zu früh. Mitten in der Nacht. Schon mein ganzes Leben frage ich mich, warum Menschen eigentlich vor zwölf Uhr mittags aufstehen. Um halb acht mit der Arbeit zu beginnen, ist mein Tod. Aber was tut man nicht alles für den Traumjob.

Ich habe es geschafft, direkt nach meinem Master ein Volontariat beim Inscenes zu ergattern. Das Magazin am Puls der Zeit. Dort werden Trends erkannt und verbreitet. Egal ob in der Mode, im Lifestyle oder in der öffentlichen Meinung. Berichtet Inscenes darüber, ist es im Trend.

Gut, die Arbeitszeiten sind Mist und die Bezahlung auch. Zehn Stunden am Tag für nicht mal den Mindestlohn. Und da sind die unbezahlten Überstunden noch nicht mitgerechnet. Aber wenn ich mein halbes Jahr dort hinter mir habe, kann ich in der Branche alles machen. Und das ist es, was ich will. Schreiben. Nicht über Lifestyle und Mode, sondern über die wirklich wichtigen Themen. Ich möchte dort sein, wo etwas passiert. Berichten, worüber die anderen schweigen. Genau das ermöglicht mir dieses Volontariat. Deshalb quäle ich mich jeden Morgen vor sechs aus dem Bett und fahre in dieser stickigen U-Bahn zur Arbeit.

Noch zwei Stationen. Die Türen schließen, und der Zug fährt erneut an. Ein Ruck geht durch den Wagen, vor meinem inneren Auge blitzt ein rotes und ein blaues Licht auf, bildet irgendwelche Formen und ein sengender Schmerz schießt durch meinen rechten Arm. Noch dazu überkommt mich ein Gefühl, das ich nur allzu gut kenne: Abneigung. Es gibt einfach Menschen, die ich von der ersten Sekunde an nicht leiden kann. Das war schon immer so. Bis in die Pubertät hinein dachte ich, dass jeder Mensch das kennt.

Inzwischen habe ich festgestellt, dass meine Empfindung in dieser Richtung viel heftiger ist als bei anderen Menschen. Dass ich dabei farbige Linien sehe, die sich auf eine faszinierende Art und Weise trennen und wieder verbinden, ist allerdings neu. Durch einen Nebel von Rot und Blau versuche ich, meinen Blick auf die schmerzende Stelle an meinem Arm zu richten und das Unbehagen zu ignorieren. An meiner Jacke klammert sich eine Hand fest. Mein Blick folgt dem Arm und ich erkenne einen dunkelhaarigen Schönling, etwa in meinem Alter.

Er gehört offensichtlich in die Kategorie Mensch, die ich auf Anhieb nicht leiden kann. Diese Abneigung ist buchstäblich körperlich. Eine leichte Übelkeit packt mich, und der Drang, so schnell wie möglich von ihm wegzukommen. In der überfüllten U-Bahn ist das natürlich utopisch. Mir ist auch klar, dass er mir nichts Böses will. Tatsächlich hat er sich an mir festgehalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Das ist ja gut und schön, aber muss er so fest zudrücken? Hat der sie noch alle?

»Spinnst du?«, fahre ich ihn an.

Wenn ich den Ausdruck in seinem Gesicht richtig deute, hat er auch Schmerzen.

Verdammt, diese Augen! So eine Farbe habe ich noch nie gesehen. Sie schimmern rötlich. Das muss das Licht sein. Oder der Schmerz, der mir die Sinne vernebelt. Der Mistkerl nimmt einfach seine Hand nicht weg.

Mir bleibt nichts anderes übrig, als meinen Arm ziemlich vehement wegzuziehen. Umfallen wird er schon nicht. Ist ja schließlich voll genug hier. Die Leute um uns herum werfen uns schon komische Blicke zu.

»Sorry«, murmelt der Kerl und starrt zuerst auf mich und dann auf seine Hand.

Ja, hoffentlich tut sie dir weh! Scheiße, brennt das! Ich würde gern nachschauen, was da an meinem Arm so wehtut, aber das ist gerade unmöglich. Schließlich trage ich eine Jacke und eine langärmlige Bluse. Und in der vollen U-Bahn kann ich mich kaum bewegen. Das wird wohl warten müssen, bis ich hier raus bin.

Unter halbgeschlossenen Lidern schiele ich zu dem Typen. Er berührt mich nicht mehr, was auch die Übelkeit vergehen lässt. Stattdessen starrt er auf seine Hand. Ich würde schon gern wissen, ob seine Augen immer noch so eigentümlich leuchten. Das war krass. Schade, dass er in die Kategorie Arsch gehört. Das kaum hörbare »Sorry« kann ich ihm auch nicht wirklich als Entschuldigung durchgehen lassen.

Aber es bringt ja nichts, sich weiter darüber aufzuregen. Ich sollte mich lieber auf die Aufgaben des Tages konzentrieren. Erst werde ich die Berichte durchgehen, die in der Nacht eingetroffen sind, und sie an die zuständigen Redakteure weiterleiten. Danach besorge ich Kaffee und Frühstück für alle und warte darauf, wem ich heute zugeteilt werde. Theoretisch sollte ich am Ende in jedem Bereich der Redaktion gleichlang gearbeitet haben. Mal sehen, ob das hinhaut. Irgendwie hatte ich mir unter dem Job was anderes vorgestellt, als den Laufburschen zu spielen. Aber so ist das wohl in der Branche. Mir wurde zugesagt, dass ich nach der Eingewöhnungsphase auch ein wenig Verantwortung übernehmen dürfe. Darauf warte ich. Das wird meine Chance!

»Nächster Halt: Konstablerwache.« Endlich, das ist meine Station. Ich dränge mich zur Tür und bin froh, die stickige Luft und den komischen Typen endlich hinter mir zu lassen. Jetzt nur noch die Rolltreppe hoch, einen Kaffee holen, und dann kann der Tag beginnen.

Aus irgendeinem Grund blicke ich mich noch einmal um und schaue in merkwürdig schimmernde Augen. Eigentlich sind sie mehr braun als rot. Aber da ist eindeutig ein Lodern! Und er starrt mich direkt an.

Entnervt drehe ich mich weg und marschiere los. Wer weiß, was das für ein Typ ist. Oder ist das mein übermüdetes Gehirn, das aus einer Mücke einen Elefanten macht?

Ohne mich noch einmal umzusehen, gehe ich zügig zum Starbucks gegenüber und bestelle einen Milchkaffee. Beim Rausgehen sehe ich den Kerl vor dem Laden rumlungern. Mist! Der verfolgt mich. Jetzt wird mir schon ein wenig mulmig.

Zum Glück nehmen sie es mit der Sicherheit beim Inscenes ziemlich genau. Da kommt nicht jeder rein. Mit schnellen Schritten lege ich den kurzen Weg zurück, betrete erleichtert das Gebäude in der Zeil, zeige dem Sicherheitsmann meinen Ausweis, passiere den Metalldetektor und bin den Typen endlich los.

Wahrscheinlich mache ich mir Sorgen um nichts. Auch mein Arm tut nicht mehr so weh. Es wird wohl das Beste sein, dieses merkwürdige Erlebnis zu vergessen und mich in die Arbeit zu stürzen.

2. In der U-Bahn ⁓ Robin
Das ist mit Abstand das Merkwürdigste, was ich je erlebt habe! Und das will was heißen. Diese Frau … ich habe sie berührt, und in meinem Kopf begann ein Film abzulaufen. Dunkelheit, die sich mit Licht verbindet. Ein Phönix und ein Drache in Ewigkeit vereint. Ihre Verbindung symbolisiert durch rote und blaue Kraftlinien, die zu einer werden und zusammen eine Stärke entwickeln, von der ich nie zu träumen gewagt hätte. Das Gefühl ist berauschend.

Sie faucht mich ziemlich an, aber ich kann die Hand nicht wegnehmen. Das fühlt sich trotz der Schmerzen irgendwie falsch an. Unsere Blicke treffen sich. Ihre Augen sind der helle Wahnsinn. Dunkelblau, fast schwarz, durchzogen von wenigen leuchtenden Punkten. Fast wie der Sternenhimmel. Und dann ist es vorbei, und zurück bleibt ein heftiger Schmerz.

Als sie ihren Arm wegzieht, kann ich nicht mehr als »Sorry«, murmeln. Meine Hand schmerzt, und ein Blick darauf macht alles noch schlimmer. Auf meiner Handfläche bilden sich Brandblasen. Fuck, tut das weh!

Die nächsten Minuten nutze ich, um zu überlegen, was ich jetzt tun soll. Eigentlich bin ich gerade dabei, einen Minotaurus zu beschatten, den ich verdächtige, mit Artefakten zu dealen. Aber irgendetwas sagt mir, dass diese Frau wichtiger ist. Ich bin ja viel gewohnt, aber dass ich sehe, wie ein Drache und ein Phönix sich vereinen, ist dann doch etwas Neues. Ich muss herausfinden, wer sie ist.

Meine erste Vermutung ist natürlich: ein Drache. Aber das kann nicht sein. Dann müsste ich sie kennen.

Also folge ich ihr die Rolltreppe hinauf. Dort schaut sie sich um, und wir sehen uns noch einmal in die Augen. Sterne am Nachthimmel. Ja, genau das ist es. Ansonsten ist sie nicht sehr attraktiv. Dunkle Locken, breit gebaut und groß. Nicht mein Typ. Sie sieht wieder weg und beschleunigt ihre Schritte. Würde ich an ihrer Stelle wahrscheinlich auch machen. Sie muss mich für einen verrückten Stalker halten.

Jetzt steht sie in der Schlange im Starbucks, und ich warte draußen auf sie. Nicht gerade unauffällig, aber hier gibt es nichts, wo ich mich verstecken könnte. Natürlich bemerkt sie mich wieder und rennt gleich weg. Ich halte ein wenig Abstand und sehe sie im Gebäude des Inscenes verschwinden. Was zur Hölle … Denn genau das ist dieser Ort. Also nicht die Hölle im biblischen Sinn. Aber die Kreaturen, die dort arbeiten, sind das Allerletzte. Der Abschaum unserer Gesellschaft. Diese Zeitung ist der Inbegriff all dessen, was ich an meiner Welt verabscheue. Ach was, an beiden Welten. Denn Fräulein Lind ist nicht nur in der Welt der Animalis berüchtigt, sondern auch bei den Menschen. Nicht umsonst bringt sie ihre Zeitung in zwei Versionen heraus. Ein für Menschen und eine für Animalis.

Und die Frau, die mir eben dieses merkwürdige Erlebnis beschert hat, arbeitet dort? Sie sieht nicht wie jemand aus, der in solchen Kreisen verkehrt. Aber das kann natürlich täuschen. Man kann nicht hineinsehen.

Was mich wirklich verwirrt, ist, dass ich nicht spüren konnte, was für ein Animalis sie ist. Dunkel, so viel ist sicher. Aber sonst war da nichts.

Ich muss unbedingt herausfinden, was es damit auf sich hat. Also wähle ich den direkten Weg und betrete das Gebäude des Inscenes, sobald sie in den Aufzügen verschwunden ist.

Irgendwer wird mir sicher Auskunft geben. Schließlich bin ich ein Sohn des Imperators. Noch dazu der, der sich um die Aufgaben kümmert, die zwar die Aufmerksamkeit des Herrscherhauses erfordern, aber nicht die des Herrschers. Und das hier ist eindeutig so eine Sache.

Natürlich trifft mich sofort der überhebliche Blick des Wachmanns. Ich habe ja nicht Phönix auf die Stirn tätowiert. Doch ein kurzes Schütteln mit dem Kopf zeigt ihm für eine Sekunde meine Flügel, und sein Verhalten ändert sich. Auch wenn er ein Gargoyle ist und damit zur Dunklen Seite gehört, weiß er, was sich gehört.

»Was kann ich für Euch tun, Mylord?«

»Die Frau eben«, komme ich gleich zur Sache. »Wer war das?«

»Das … das ist Pamina Candela, Herr.«

Was ist denn das für ein bescheuerter Name? Dahinter muss mehr stecken. Eine schnelle Anfrage über mein Handy bringt keine Ergebnisse, ich muss tiefer bohren. Ich logge mich also in unsere Datenbank ein und suche dort. Man weiß schließlich nie. Es dauert ein paar Minuten, bis ich sie tatsächlich finde. Scheiße, das kann doch nicht wahr sein! Eine Jinx? Und dann auch noch … »Was in Dreiteufelsnamen hat eine Tochter der Kaiserin hier zu schaffen?« Ich merke gar nicht, dass ich laut gesprochen habe.

»Eine … was?« Der Wachmann verliert die Beherrschung und sein Gesicht verwandelt sich in eine hässliche Fratze. Gargoyles. Die waren noch nie gut darin, die Fassung zu bewahren.

Und natürlich kann er nicht wissen, wer die Frau ist. Die verschlüsselte Akte mit dem Vermerk Streng geheim war ein deutlicher Hinweis. Ups.

»Vergiss es. Ich habe mich geirrt.« Meine Worte beruhigen den Gargoyle, und er nimmt wieder menschliche Gestalt an. Die Hellsten sind sie auch nicht.

»Xenia Lind ist doch die Chefin hier, oder?«

»Ja, Mylord. Fräulein Lind.«

»Gut! Danke für die Auskunft.« Ich starre ihn mit meinem besten Ich-bin-der-Sohn-des-Imperators-auf-geheimer-Mission-Blick an. »Ich bin nie hier gewesen, verstanden?«

»Ja, ja natürlich.« Er nickt mehrmals heftig. »Niemand war hier.«

Das muss reichen. Ich verlasse das Gebäude und mache mich auf den Weg zu meinem Vater. Diese Sache verdient seine Aufmerksamkeit.