Er könnte alles für sie sein - oder ihre größte Gefahr.

Ex-Navy-SEAL Violet Drake kehrt nach L.A. zurück, um in der Detektei ihres Vaters zu arbeiten. Und schon ihr erster Auftrag hat es in sich. Sie soll den reichen CEO Maxton Johnson des Mordes an seiner Ex-Freundin überführen. Um Beweise zu sammeln, schleicht sie sich in sein Unternehmen und sein Leben ein. Doch ihr Plan geht nicht auf. Denn vom ersten Moment an fühlt sie sich unwiderstehlich zu Maxton hingezogen. Und der tut alles dafür, ihr näherzukommen. Violet versucht ihm zu widerstehen, schließlich könnte er ein Mörder sein. Aber kann etwas falsch sein, das sich so richtig anfühlt?

Der erste Band der Private-Affairs-Reihe von Nicci Cole: Ein knisterndes Katz-und-Maus-Spiel mit fast unerträglicher Spannung zwischen zwei starken Protagonisten.

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Leseprobe 

 

 Prolog

Dann gehen wir mal einem Mann den Tag versauen. Das war ein Teil seiner Arbeit, den Lieutenant Jacobs nicht ausstehen konnte. Es war nie schön, Angehörigen oder Betroffenen den Tod eines geliebten Menschen mitteilen zu müssen.
Obwohl geliebt es in diesem Fall vielleicht gar nicht so genau traf. Immerhin war Maxton James Johnson der Exfreund der Toten. Laut seiner Sekretärin holten sie ihn gerade aus einem wichtigen Meeting. Aber auch das kannte Jacobs schon. Männer wie dieser Johnson waren immer damit beschäftigt, die Welt zu erobern.
In diesem Moment betrat der Gründer von MaxGraphics Softworks den kleinen Meetingraum. Sein kalter Blick musterte Jacobs und seine Kollegin Summer. Ein feines Lächeln umspielte die Lippen des Lieutenants. Menschen reagierten im Allgemeinen nicht besonders gut auf einen Besuch der Mordkommission und dieser Johnson bildete da keine Ausnahme. »Mister Johnson? Ich bin Lieutenant Jacobs und das ist meine Kollegin Lieutenant Summer, L.A.P.D. Wir sind wegen einer Routinebefragung hier. Kennen Sie eine Kim Miller?«
»Ja, natürlich.«
»Wie ist Ihr Verhältnis zu Ms Miller?« Wie immer hielt Jacobs seine Stimme unverbindlich und blickte Mr Johnson fragend an.
»Sie war bis vor zwei Wochen meine Freundin«, antwortete der vorsichtig. »Wir waren knapp zwei Monate ein Paar.«.
»Bin ich richtig informiert, dass Sie sich von ihr getrennt haben?«
Mr Johnson nickte. »Wir hatten unterschiedliche Vorstellungen davon, womit ich meine Zeit verbringe, und ich habe die Konsequenzen gezogen.« Er hob die Augenbrauen und verschränkte die Arme vor der Brust. »Warum interessiert Sie das?«
Der Lieutenant seufzte. Auch das war eine typische Reaktion. Jetzt würde er die Bombe platzen lassen und war schon gespannt, wie dieser Johnson darauf reagierte. »Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Kim Miller sich letzte Nacht das Leben genommen hat.«
Johnson runzelte die Stirn. »Kim? Das glaube ich nicht.«
Ein Leugner also. »Das können Sie ruhig glauben. Und da kommen wir zum Grund unseres Besuchs. In ihrem Abschiedsbrief hat sie angegeben, dass Sie«, er zeigte mit dem Finger auf Johnson, »und Ihr ungeborenes Kind der Grund dafür seien.«
»Ungeborenes Kind?«, fragte Johnson mit ausdrucksloser Miene.
Aha, er tat so, als wisse er nichts davon. Oder wusste er es tatsächlich nicht? Das war eigentlich egal. Der Fall lag klar auf der Hand: Selbstmord. »Ja. Sie wussten nichts von der Schwangerschaft?«
Johnson schüttelte den Kopf und schloss für einen Moment die Augen. »Das ist tragisch.«
Was für eine merkwürdige Wortwahl. »Hätten Sie jetzt Zeit, mit uns aufs Revier zu kommen? Da wären noch ein paar Formalitäten zu klären.«
»Sicher, wenn Ihnen das hilft. Wie lange wird das voraussichtlich dauern? Ich muss meiner Assistentin Bescheid geben, damit sie meine Termine entsprechend verlegen kann.«

Inzwischen saß Maxton Johnson in der L.A.P.D. Hauptzentrale im New Parker Center, einen Kaffee im Pappbecher vor sich und betrachtete die Fotos und Gegenstände, die Lieutenant Jacobs vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet hatte.
Alle zeigten Schnappschüsse von Mr Johnson. Wie er aus dem Auto ein- oder ausstieg, während er unterwegs war, aber auch in seiner Villa in den Hollywood Hills. Die Bilder waren mit Zoom aufgenommen und man sah ihn mal mit einer seiner Damenbekanntschaften, mal alleine. Im Wohnzimmer, im Pool, in seinem Schlafzimmer.
Lieutenant Jacobs zeigte auf mehrere über den Tisch verteilte Gegenstände. »Diese Gegenstände haben wir bei Ms Miller sichergestellt. Erkennen Sie etwas davon wieder?«
Mr Johnsons Blick blieb an einem kleinen Brieföffner mit Holzgriff hängen. »Den habe ich zum achtzehnten Geburtstag von meinem Vater geschenkt bekommen. Ich dachte, ich hätte ihn verloren.« Dann deutete er auf den Rasierpinsel. »Der verschwand nach einer Geschäftsreise. Sie muss ihn aus meinem Koffer gestohlen haben. Ich erinnere mich an unser Gespräch darüber, dass ich ihn wohl im Hotel in Seattle vergessen habe.« Er verengte die Augen zu Schlitzen als würde er nachdenken und zeigte als Nächstes auf ein vollgeschriebenes Stück Papier. »Diese Serviette ist aus dem Diamonds. Das war noch, bevor ich Kim kannte. Ich war mit Freunden zusammen und hatte einige Ideen darauf gekritzelt. Irgendwann war sie verschwunden.«
»Und das hat Sie nicht gestört?«
»Nein, warum? Die Stichpunkte sind so kryptisch, dass niemand etwas damit anfangen kann. Ich bin davon ausgegangen, dass die Kellnerin sie abgeräumt und in den Müll geschmissen hat.«
Lieutenant Jacobs nickte. »Und die Unterwäsche? Ist das ebenfalls Ihre?«
Mr Johnson zuckte mit den Schultern. »Möglich.« Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Entschuldigen Sie, aber diese Sachen hier zu sehen ist … verstörend.«
»Verständlich. Nehmen Sie sich Zeit.« Lieutenant Jacobs beobachtete Maxton Johnson weiter genau. Irgendetwas schien ihn zu beschäftigen. Das war allerdings nicht weiter verwunderlich. Schließlich hatte der Mann gerade vom Selbstmord seiner Exfreundin erfahren. Die von ihm schwanger gewesen war und sich zudem als Stalkerin entpuppte. Das war nichts, was man einfach so wegsteckte. Dennoch musste er mit der Befragung fortfahren. »Ist Ihnen an Ms Millers Verhalten irgendetwas komisch vorgekommen?«
»Wie gesagt, sie wollte ständig Zeit mit mir verbringen. Hat nicht akzeptiert, dass ich oft bis weit nach Mitternacht arbeite. Deshalb habe ich mit ihr Schluss gemacht.« Mit der rechten Hand massierte er sich die Schläfe. »Ich konnte ja nicht ahnen …« Er schüttelte den Kopf und zuckte dann mit den Schultern.
»Und Sie wussten auch nicht, dass Ms Miller schwanger war?«
»Nein! Ich hatte keine Ahnung. Wir haben eigentlich immer verhütet. Aber so richtig sicher ist das ja nie.«
Das reichte dem Lieutenant. »Gut. Ich denke, das war es erst einmal. Das Ganze scheint recht eindeutig. Es wird alles noch einmal sorgfältig geprüft, aber ich gehe mal davon aus, dass wir den Fall bald abschließen können. Klassischer Selbstmord.«
»Wie …« Mister Johnson räusperte sich. »Wie hat sie sich das Leben genommen?«
»Sie hat sich vergiftet. Mehr darf ich im Moment nicht sagen.«
Mr Johnson nickte nur und verabschiedete sich. Lieutenant Jacobs blickte ihm nach. Obwohl der Fall wasserdicht war, sagte ihm sein Instinkt, dass er Maxton Johnson nicht zum letzten Mal gesehen hatte.

1 Neuanfang

Violet Drake packte ihren schweren Seesack von der linken auf die rechte Schulter. Es war genau so gekommen, wie die Ärzte es prophezeit hatten. Ihre linke Schulter und ihr linker Arm waren auch über ein Jahr nach der letzten Operation noch nicht wieder voll einsatzfähig. Sie konnte von Glück reden, dass sie den Arm überhaupt bewegen konnte. Nach dem schweren Beschuss und der Explosion in Somalia hatte es zuerst so ausgesehen, als würde alles steif bleiben. Doch unzählige Operationen und ein künstliches Schultergelenk später, konnte sie den Arm immerhin wieder bewegen und sogar eine Gabel zum Mund führen. Viel mehr allerdings auch nicht. Deshalb hatte sie die Navy Seals auf eigenen Wunsch verlassen. Man hatte sie ehrenhaft entlassen und für sie begann ein neuer Lebensabschnitt. Jetzt stand sie hier in L.A. am Flughafen, schulterte ihren Seesack und würde gleich ihrem Vater gegenübertreten. Robert, wie sie ihn all die Jahre immer genannt hatte. Das war in der Einheit einfacher gewesen. Als die Jungs in ihrer Ausbildung rausbekommen hatten, dass sie mehrmals die Woche mit ihrem Dad chattete, hatten sie Violet damit aufgezogen. Das war an sich nicht schlimm, aber auf Dauer lästig. Deshalb hatte sie angefangen, ihren Vater bei seinem Vornamen zu nennen. Nur wenn sie mit ihm direkt sprach, nannte sie ihn Dad. Und jetzt würde sie ihn endlich wiedersehen.
Sie atmete noch einmal tief durch und trat durch die Tür in die Ankunftshalle.
»Pumpkin!« Groß und bullig, wie früher, stand Robert Drake mit offenen Armen da und begrüßte sie. »Du glaubst gar nicht, wie froh ich bin, dich zu sehen.«
Über diesen Spitznamen musste sie schmunzeln. Er hatte ihn ihr als Baby gegeben. Die ersten drei Jahre hatten ihre Eltern sie zu Halloween in ein Kürbiskostüm gepackt. Das war bis heute hängen geblieben. Sie ließ den Seesack von den Schultern gleiten und umarmte ihn fest. »Hi, Dad. Schön, dich zu sehen.«
Er drückte sie noch einmal an sich. »Wie geht es deiner Mutter?«
»Mom geht es gut. Sie lässt dich grüßen.«
Robert nickte und griff nach dem Gepäckstück. »Lass mich das nehmen. Das mit deiner Schulter …«
»Ich kann meine Sachen selbst tragen, Dad.«
»Okay.« Er hob abwehrend die Hände. »Dann komm mal mit zum Auto, und ich zeige dir dein neues Domizil. Ist in etwa so groß wie damals unsere Wohnung in Deutschland, nur dass ich jetzt alleine dort lebe. Der größte Raum ist die Detektei, einer mein Schlafzimmer und du kannst das zweite Schlafzimmer haben.«
»Aber nur so lange, bis ich etwas Eigenes gefunden habe.« Schlimm genug, dass sie zwischen den Krankenhausaufenthalten im letzten Jahr bei ihrer Mutter und deren neuer Familie hatte wohnen müssen. Eine eigene Bleibe hatte sich einfach nicht rentiert. Jetzt würde sie kurz vor ihrem dreißigsten Geburtstag bei ihrem Dad einziehen. So hatte sie sich ihr Leben nicht vorgestellt. Sie schielte zu ihrem Vater und sah, wie er sie musterte. Wenigstens hatte er nichts zu ihrem Aussehen gesagt. Sie hatte ihm Fotos geschickt, um ihn darauf vorzubereiten. Natürlich hatten sie in den letzten Jahren oft geskypt, aber da waren wenigstens ihre Haare noch blond und länger gewesen. Kein Vergleich dazu, wie sie früher ausgesehen hatte, aber doch noch ein wenig näher dran. Als sie mit siebzehn den Stützpunkt in Deutschland verlassen hatte, war sie der Inbegriff der amerikanischen Beauty-Queen gewesen. Lange honigblonde Haare, Rundungen an den richtigen Stellen und immer perfekt geschminkt. Jetzt reichten ihr die Haare nur noch bis knapp zu den Ohren und waren lila. Sie fand schon immer, dass sie mit dem Namen eigentlich keine andere Haarfarbe haben sollte. Und nach ihrem Ausscheiden aus der Army war es auch egal. Rundungen hatte sie schon lange keine mehr. Die harte Ausbildung bei den Seals und das ständige Training hatten ihren Körper drahtig und muskulös werden lassen. Sie achtete darauf, auch nach den Operationen ihr Trainingsprogramm so gut wie möglich durchzuziehen. Alle zwei Tage einen Zehn-Meilen-Lauf und viermal die Woche eine Stunde HIIT. Und jeden Tag Kraftübungen für den ganzen Körper.
Die Ärzte sagten, sie hätte es nur ihrer körperlichen Fitness zu verdanken, dass sie wieder so gut hergestellt war.
Um die Stille zwischen ihnen nicht unerträglich werden zu lassen, sagte sie: »Du bist gut in Form.«
Ihr Vater klatschte sich auf den kaum zu erkennenden Bauchansatz. »Ich gebe mein Bestes. Jeden zweiten …«
»… Tag ein Zehn-Meilen-Lauf und du bleibst topfit«, ergänzte sie seinen Satz und beide lachten.
»Genau. Laufen wir morgen zusammen?«
Sie nickte. »Ich werde dich abhängen, alter Mann, das ist dir doch klar, oder?«
»Das werden wir noch sehen!« Er lachte, und Violets Welt war nicht mehr ganz so grau wie zuvor.

Mit ihrem Dad zusammen lebte es sich wesentlich entspannter als mit ihrer Mom. Er hatte ihr das kleine Zimmer gezeigt, das ihr gehören sollte, und auf ein Bücherregal gedeutet. »Die solltest du lesen. Gibt dir einen Überblick über das, was wir hier machen.«
»Detektivzeugs?«
»Ermittlung und Überwachung, ja. Lies sie. Leb dich ein und dann können wir mit dem ersten Fall beginnen. Ich habe da eine Anfrage, für die du wie geschaffen bist.«
Violet war seinem Rat gefolgt. Sie fühlte sich in der minimalistischen Wohnung in Downtown Los Angeles wohl. Viel besser als das überladene Vorstadthaus ihrer Mom. Das machte wohl der militärische Hintergrund ihres Dads. Auch Jahre nach dem Militärdienst schien es, als würde Robert Drake sich nicht mit unnötigen Dingen belasten. Violet ging es nicht anders. Ihr ganzer weltlicher Besitz fand in ihrem Seesack platz. In der letzten Woche hatte sie ein paar Schuhe und Kleider gekauft, aber mehr brauchte sie nicht. Ihr einfaches Zimmer mit Bett, Schrank und Schreibtisch reichte. An die Wand hatte sie lediglich ein Foto ihrer alten Einheit gehängt.
Heute würde sie erstmals zusammen mit ihrem Vater eine Klientin treffen. Robert führte seit Jahren eine gut gehende Detektei. Sein Spezialgebiet waren Beschattungen jeder Art. Meist ging es dabei um untreue Ehepartner. Aber auch Arbeitnehmer, die Gelder veruntreut hatten, waren mögliche Ziele. Er glaubte, dass eine weibliche Mitarbeiterin ihm mehr Möglichkeiten verschaffen würde. Deshalb war sie hier.
Sie hörte in sich hinein und stellte fest, dass sich dieser Schritt nach wie vor gut anfühlte. Im letzten Jahr hatte sie oft mit ihrem Schicksal gehadert. Doch inzwischen schien ihr die Verletzung fast wie ein Segen. Vieles hatte sich seitdem geändert. Sie hatte sich geändert und endlich einigen Dingen ins Gesicht gesehen, die in den letzten Jahren alles andere als gut gelaufen waren. Dieser Neuanfang war genau das, was sie brauchte.
Lächelnd warf sie einen Blick auf Roberts Terminkalender. Die Frau, die sie gleich treffen würden, hieß Jacky Smith und es ging um eine Beschattung.
»Mehr weißt du nicht?« Violet kraulte Pepper, den Mischlingsrüden ihres Vaters, der sich gleich am ersten Tag an sie gehängt hatte. Seine Schnauze lag auf ihrem Oberschenkel und er ließ genüsslich die Zunge heraushängen.
»Sie hat gefragt, ob ich eine Detektivin zur Verfügung hätte. Dank dir konnte ich das bejahen. Es wird wohl darum gehen, einen untreuen Ehemann zu verführen oder so was.«
Violet hielt im Kraulen inne. »So Aufträge gibt es wirklich?«
»Zuhauf. Untreue ist meine Haupteinnahmequelle. Für solche Fälle habe ich manchmal eine Hostess angeworben. Aber jetzt habe ich ja dich.« Robert grinste übers ganze Gesicht. Da klingelte es auch schon. Er ging zur Tür und kam in Begleitung einer Frau zurück, die etwa in Violets Alter war. Sie hätte schön sein können, wenn da nicht dieser traurige Zug um ihre Lippen gewesen wäre. Irgendetwas hatte dieser Frau schwer zugesetzt. Weder das aufwändig zurechtgemachte Haar noch das Make-up konnten das verbergen. Sie umklammerte eine Aktenmappe so fest, als hinge ihr Leben davon ab.
»Darf ich vorstellen, Ms Smith, meine Tochter, Violet Drake.«
Die Frau musterte Violet von oben bis unten und zeigte dann ein schwaches Lächeln. »Ein violetter Drache, mit violetten Haaren. Ich deute das mal als gutes Omen. Denn ein Drache ist genau das, was ich brauche.«
Ein wenig verwundert über die altertümliche Auslegung ihres Nachnamens, lächelte Violet und wies auf einen Stuhl gegenüber. »Setzen Sie sich doch.« Pepper hob nur kurz den Kopf, um die Fremde zu begutachten, und ließ sich dann zu ihren Füßen nieder.
»So, Ms Smith!« Auch Robert setzte sich und sah seine potenzielle Klientin auffordernd an. »Um was geht es?«
Ms Smith legte vorsichtig die Aktenmappe auf den Tisch und öffnete sie. Zu sehen waren mehrere Schnappschüsse eines Mannes. »Das ist Maxton James Johnson«, begann sie. »Der Vater ist der Investor James Johnson, die Mutter die Schauspielerin Valentina Wolf.«
Violet hob die Brauen. »Die Valentina Wolf? Aus Welcome California und dem Drei Engel für Charlie Film von vor ein paar Jahren?«
Ms Smith lächelte. »Ja, genau die.« Gedankenverloren strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht, dann seufzte sie. »Ich sage es einfach frei heraus, denn das kann ich nicht beschönigen. Ich möchte, dass Sie beweisen, dass Maxton Johnson meine Schwester Kim getötet hat.«
Violet sah zu ihrem Vater, der genauso überrascht schien wie sie.
»Mord?« Robert schüttelte den Kopf. »Dafür ist die Polizei zuständig. Es tut mir leid, aber …« Er erhob sich und wollte ihr die Hand reichen.
»Bitte!«, unterbrach Ms Smith seine Geste. »Hören Sie mich an. Die Polizei hält Kims Tod für Selbstmord. Aber das kann nicht sein. Kim hätte sich niemals selbst umgebracht.«
Robert setzte sich wieder und forderte die Frau mit einer Geste auf, weiterzusprechen.
»Meine Schwester war immer ein lebensfroher Mensch. Sie hat das Leben in vollen Zügen genossen. Dann traf sie auf Maxton und war überglücklich. Er sieht gut aus, ist wohlhabend und intelligent. Ihm gehört MaxGraphics Softworks. Von denen ist dieses Computerspiel Angel Wings, von dem zurzeit alle Kids reden.« Sie schnaubte. »Zwei Monate waren die beiden ein Paar, dann hat er sie abserviert. Natürlich war sie traurig, aber nicht so traurig. Nicht mal als sie herausfand, dass sie von ihm schwanger war. Mit einem kleinen Mädchen, wie sich bei der Autopsie herausgestellt hat. Und jetzt wird es merkwürdig. Laut Polizei hat sie sich umgebracht, weil ihr Leben ohne Maxton keinen Sinn mehr machte. Und weil sie sein ›Kind unter dem Herzen‹ trug. Das steht in ihrem ›Abschiedsbrief‹.« Sie schnaubte erneut. »Totaler Blödsinn! Kim wollte ihm sagen, dass sie schwanger war, weil sie glaubte, dass er sich um sein Kind kümmern würde. Das hat sie mir selbst gesagt.«
Robert nickte: »Ich hebe mir meine Fragen für später auf. Erzählen Sie bitte erst zu Ende.«
»Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Angeblich soll Kim all diese Bilder von Maxton geschossen und Dinge aus seinem persönlichen Besitz gestohlen haben. Die Polizei sagt, sie sei von Maxton besessen gewesen und hätte die Trennung nicht verkraftet. Eine ganze Ecke ihres Zimmers glich einem Schrein für Maxton Johnson. Außerdem haben sie Dateien auf ihrem Computer gefunden, die das angeblich beweisen.« Sie fuhr sich mit der Hand über die Augen. »Da das Ganze als Selbstmord läuft, bekam ich alles zurück. Ich habe mir diese Dateien angeschaut und sie passen gar nicht zu meiner Schwester. Ich habe sie mit alten Tagebucheinträgen verglichen und der Stil ist ganz anders. Ich bin mir sicher, dass sie das nicht geschrieben hat!« Eine einzelne Träne lief ihre Wange hinab. »Aber mir glaubt niemand, weil die einzige Alternative Mord wäre.«
»Und Sie vermuten, dass dieser Johnson sie umgebracht hat, weil sie schwanger war?«, spann Violet den Faden weiter.
»Genau.«
»Was war denn die Todesursache?«, fragte Robert behutsam.
»Sie soll Eisenhut aus meinem Garten benutzt haben. Ich weiß, wie das aussieht, aber ich kann immer wieder nur beteuern, dass Kim so etwas nie getan hätte. Weder das mit den Fotos noch den Selbstmord.«
Roberts Blick fiel auf die Akte. »Darf ich die haben?«
Sie nickte und schob den Ordner zu ihm hinüber. »Natürlich.«
Er nahm ihn entgegen und blätterte durch die Dokumente. Violet las ebenfalls interessiert mit. Da gab es den Abschiedsbrief und einige Ausdrucke von Liebesbriefen an Maxton Johnson. Immer wieder hieß es darin, dass er ihr Lebenselixier sei. Es gab auch Fotos von den persönlichen Gegenständen, die sich in Kims Besitz befunden hatten und jede Menge Fotos von Maxton.
Violet musste zugeben, dass dieser Maxton ein gut aussehender Mann war. Anfang dreißig, blond, die Haare ein wenig länger und ebenmäßige Gesichtszüge.
»Er sieht gut aus, nicht wahr?« Ms Smiths Stimme riss Violet aus ihren Gedanken.
Hatte man ihr das so sehr angesehen? Es war eindeutig zu lange her, dass sie mit einem Mann zusammen gewesen war, wenn sie schon Mordverdächtigen auf Bildern hinterherhechelte. Um abzulenken, zuckte sie mit den Schultern – oder vielmehr mit der rechten Schulter – und fragte: »Was genau haben Sie sich vorgestellt? Mein Vater hat gesagt, dass sie explizit nach einer Frau verlangt haben. Was soll ich tun?«
»Was Privatdetektive so tun, oder? Sie sollen sich an ihn heranmachen und ihn ausspionieren. Mit ihm flirten, sein Haus durchsuchen, was weiß ich. Sie sind die Profis.«
Bevor Violet antworten konnte, sagte ihr Vater: »Um das klarzustellen: Wir können nicht einfach in fremde Häuser einbrechen und sie durchsuchen.«
Ein verzweifeltes Lächeln breitete sich auf Ms Smiths Gesicht aus. »Aber irgendetwas müssen Sie doch tun können?«
»Ich werde das mit meiner Tochter besprechen und dann melden wir uns bei Ihnen. Unsere Preisvorstellungen habe ich Ihnen bereits genannt. Einhundert Dollar die Stunde, ein Dollar pro gefahrenem Kilometer und Spesen.«
»Ja, das ist kein Problem.« Ms Smith erhob sich. »Meiner Meinung nach ist ihre Tochter der perfekte Lockvogel. Sportlich, hübsch und intelligent. Genau der Typ, auf den dieser Johnson steht. Sie haben ja die Frauen auf den Fotos gesehen.«
Violet stand inzwischen auch und reichte Ms Smith die Hand. »Wir werden alle Möglichkeiten in Betracht ziehen. Rechnen sie noch heute mit unserer Antwort.«
Ms Smith bedankte sich, gab auch Robert die Hand und verließ die Detektei. Sobald die Tür ins Schloss gefallen war, blickte Robert Drake seine Tochter wissend an. »Du hast dich längst entschieden, oder? Du willst der Frau helfen?«
Violet nickte. »Sie glaubt zumindest fest daran, dass ihre Schwester keinen Selbstmord begangen hat.«
»Verwandte neigen dazu, ihre Angehörige in einem zu guten Licht zu sehen. Und es spricht viel für die Theorie der Polizei.«
»Stimmt. Aber einen Versuch ist es wert, oder?«
»Und wie willst du dir Zugang zu seinem Haus verschaffen?« Am leichten Lächeln ihres Vaters sah sie, dass auch er sich bereits entschieden hatte, der jungen Frau zu helfen.
»So, wie sie gesagt hat. Wir finden heraus, wo er sich aufhält, ich flirte mit ihm, er nimmt mich mit und dann …« Sie zwinkerte ihrem Vater zu.
»Dir ist schon klar, dass ich so etwas als Vater nicht gutheißen kann, oder? Das grenzt an Prostitution.«
»Jetzt hör aber auf! Mit wem ich wann ins Bett gehe, ist immer noch meine Sache.«
»Und du würdest das mit einem potenziellen Mörder tun?« Sie war nicht sicher, ob da Empörung oder Respekt in seiner Stimme mitschwang.
»Ich muss nur in sein Haus. Ich würde dafür sorgen, dass er vorher sanft ins Reich der Träume entschwindet.«
»Und wie willst du das anstellen?«
»Er trinkt ein wenig zu viel, und ich helfe mit einem leichten Schlafmittel nach. Dann schläft er wie ein Baby, und ich kann sein Haus durchsuchen. Danach lasse ich ihm einen Zettel da, dass es supertoll war, und verschwinde auf Nimmerwiedersehen.«
»Das klingt fast nach einem Plan. Und wenn du nichts findest?«
»Dann versuche ich, ihn noch mal zu treffen und mich in seinem Unternehmen umzusehen.«
Ihr Vater kratzte sich nachdenklich am Kinn. »Und du willst das wirklich machen?«
»Darauf kannst du wetten. Und du bekommst dann sogar für einen Abend deine Schönheitskönigin zurück.« Sie konnte den leicht bitteren Unterton in der Stimme nicht ganz unterdrücken.
»Pumpkin, ich habe immer nur gewollt, dass du glücklich bist. Wenn du das bist, ist das für mich in Ordnung.« Er strich ihr übers Haar. »Dann ruf ich mal Ms Smith an und sage ihr, dass wir den Fall übernehmen.«

 2 Eine ganz normale Woche

»Die Szene ist nicht rund. Da müssen wir noch mal ran.« Maxton blickte zu seinen Mitarbeitern und erntete verhaltenes Nicken. »Irgendwelche Vorschläge?«
Wie erwartet, meldete sich zuerst Tim, der Storyteller im Team. »Wir könnten bei den NPCs im Lager auf altbekannte Stereotypen zurückgreifen.« Er sah zu Nina, der Grafikerin und Teamleaderin, die sofort mit den Augen rollte. »Lass mich ausreden. Was spricht dagegen, einen alten Haudegen einzubauen, der unserem Helden gute Ratschläge erteilt?«
»Dass wir das im letzten Spiel schon hatten?« Nina schüttelte den Kopf. »Es geht ja gerade darum, etwas Neues zu machen. Da habe ich Sie doch richtig verstanden, Max?«
Maxton fuhr sich mit der Hand über das glattrasierte Kinn. »Ich würde es begrüßen, wenn wir nicht auf den Mentor zurückgreifen müssten. Lasst uns noch mal zum Anfang zurückkehren. Was brauchen wir?«
»Ein Hauptquartier der Spezialeinheit«, antwortete Nina.
»Glaubhafte NPCs, die den Spieler unterstützen«, führte Tim den Gedanken fort.
»Eine Umgebung und Atmosphäre, die sowohl authentisch wirkt als auch die Sicherheit einer Basis ausstrahlt.« Die letzte Antwort kam von Marcel, dem dritten im Entwicklerteam.
»Ganz genau«, erwiderte Maxton. »Ein Camp in der Wüste, das dem Spieler ein Gefühl von Realität gibt. Schließlich ist es genau das, was den Reiz von Angel Wings ausgemacht hat.«
Nina seufzte. »Da waren wir aber in einer mittelalterlichen Fantasy Welt und hatten viel mehr Gestaltungsspielraum.«
Maxton hasste, dass sie recht hatte. Vielleicht war seine Idee, das neue Game in der Gegenwart anzusiedeln, doch weniger brillant, als er gehofft hatte.
»Was wirklich helfen würde, wäre jemand, der selbst bei der Army war. Am besten bei einer Spezialeinheit«, sprach Marcel das Offensichtliche aus.
»Und wie sollen wir so jemanden finden?« Manchmal konnte Ninas Tonfall echt ätzend sein. »Kennst du zufällig einen Ex-Seal oder so was? Ich nämlich nicht.«
»Nein, aber wir könnten vielleicht eine Stellenanzeige …«
»Ja, klar.« Sie schüttelte mehrfach den Kopf. »Renommierte Spieleentwickler suchen Ex-Soldat, möglichst mit Kriegserfahrung. Insiderwissen erwünscht. Kommt sicher gut.«
»Du musst nicht immer gleich sarkastisch werden, Nina. Ich mache zumindest Vorschläge!« Auch Marcel hatte seinen ruhigen Tonfall aufgegeben.
Das war für Maxton das Zeichen, einzuschreiten. »Wir sollten es für heute gut sein lassen. Es ist schon nach Acht und wir könnten alle ein wenig Ruhe gebrauchen.« Einstimmiges Nicken in der Runde. »Gut. Dann überlegen wir alle, wie wir das Problem lösen könnten. Vielleicht kennt ja irgendwer jemanden, der irgendwen kennt … Ihr wisst schon. Es wäre eine befristete Beraterstelle drin und wer weiß, was danach kommt.« Aufmunternd lächelte er jeden einzelnen an. »Am Montag sehen wir uns in alter Frische und mit neuen Ideen. Schönen Feierabend.« Mit diesen Worten stand er auf und verließ den Konferenzraum. Er selbst hatte nicht vor, nach Hause zu gehen. Auf seinem Schreibtisch türmte sich noch für mindestens zwei Stunden Arbeit.

Tatsächlich fuhr er gut zweieinhalb Stunde später den Computer herunter und ließ die Schultern kreisen. Für heute war er durch. Doch bereits morgen standen weitere Termine an. Sein letztes freies Wochenende war so lange her, dass er sich kaum noch daran erinnern konnte.
Kurz überlegte er, nach Hause zu fahren, entschied sich dann aber dagegen. Es war Freitagabend, und er endlich mal vor Mitternacht mit der Arbeit fertig. Da hatte er sich einen Abend im Piano, seiner Lieblingsbar, verdient. Vielleicht ergab sich ein One-Night-Stand, um ihn ein wenig abzulenken und zu entspannen. Denn genau das war es, was er jetzt brauchte. Eine kurze Auszeit, um danach wieder mit voller Kraft durchstarten zu können.

 3 Erster Kontakt

Violet stand auf der Damentoilette des Piano und warf einen letzten kritischen Blick in den Spiegel. Mit dem hautengen Kleid und der Schminke im Gesicht erkannte sie sich kaum wieder. Seit sie vor zehn Jahren der U.S. Army beigetreten war, hatte sie so etwas nicht mehr getragen. Oder sich geschminkt.
Zwei Tage hatte sie damit verbracht, durch die Stadt zu laufen und alles Nötige zu besorgen: Wäsche, Kosmetik-Artikel, Kleidung für jede Gelegenheit, Schuhe, Taschen. Einkaufen war nie eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen gewesen und würde es auch nie werden.
Aber das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Bis auf die lila Haare sah sie fast wieder aus, wie die Ballkönigin, die sie vor so vielen Jahren gewesen war. Manche Dinge verlernte man einfach nicht.
Vor etwa zehn Minuten hatte Maxton Johnson die Bar betreten. Sie musste zugeben, dass er im echten Leben noch besser aussah als auf den Fotos. Das würde es angenehmer machen, mit ihm anzubandeln. Ihre Strategie war offensiv und direkt. Sie würde ihn zu einem Drink einladen. Alle Überlegungen, das brave Weibchen zu spielen, hatte sie schnell verworfen. Das würde sie nicht durchhalten. Da war sie sich mit ihrem Vater einig gewesen.
Also setzte sie sich so, dass er sie sehen konnte, bestellte einen Scotch und suchte immer wieder Blickkontakt. Es dauerte nicht lange, bis er sie bemerkte und ihr zuprostete. Sie bat den Barkeeper, ihm ebenfalls einen Scotch zu bringen. Gespannt beobachtete sie seine Reaktion. Verblüffung, dann ein Lächeln in ihre Richtung, während er einen Schluck von dem Drink nahm. Sie hob ihr Glas, und endlich setze er sich in Bewegung. Er blieb vor ihr stehen, schwenkte die bernsteinfarbene Flüssigkeit in seinem Glas und sagte: »Sie haben einen hervorragenden Geschmack.«
»Danke.« Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die Lippen. »Sie offensichtlich auch.«
»Sie kommen von der Ostküste?«, fragte er und lehnte sich lässig neben sie an die Bar, das Glas immer noch in der Hand. Er trug eine anthrazitfarbene, enge Anzugshose und ein dunkelblaues Hemd. Keine Krawatte. Und er musterte sie völlig unverhohlen.
Violet ließ ihn. Sie wusste, dass ihr durchtrainierter Körper, von dem sie an diesem Abend sehr viel zeigte, bei Männern Anklang fand. Trotz oder gerade wegen der vielen Tattoos an ihren Armen. Lächelnd schlug sie die Beine übereinander. »Hört man das?«
»Ein klein wenig.«
Sie seufzte theatralisch und nippte an ihrem Drink. »Ich hatte gehofft, die letzten Jahre im Ausland hätten meinen Akzent ein wenig abgeschwächt.«
»Sie waren die letzten Jahre im Ausland? Wo?«
»Hier und dort.« Afghanistan, Irak, Somalia. Aber das musste sie ihm nicht direkt auf die Nase binden.
»Und davor?«
»Geboren in Washington D.C. Mein Vater war bei der Army. Bis 2007 haben wir in Deutschland gelebt.«
Er nickte, trank aus und deutete auf Violets Glas. »Darf ich mich revanchieren?«
»Gerne.« Auch sie trank aus. »Aber nur, wenn Sie mir Ihren Namen verraten.«
»Maxton Johnson, zu Ihrer Verfügung.«
»Sie kommen von hier?«
»Geboren und aufgewachsen in der Stadt der Engel. Aber meine Großeltern leben in Iowa. Dort habe ich immer die Ferien verbracht.«
»Iowa? Ich muss zugeben, da hat es mich noch nie hin verschlagen.«
»Es ist grün.« Er lachte, bestellte zwei neue Drinks und ließ den Scotch kreisen. »Verraten Sie mir Ihren Namen?«
»Violet Drake.« Es barg ein gewisses Risiko, ihren echten Namen zu benutzen, aber da sie noch nicht offiziell für ihren Vater arbeitete, war es die einfachste Lösung.
»Was für ein außergewöhnlicher Name für eine außergewöhnliche Frau.«
Innerlich verdrehte Violet die Augen. Wenn das alles war, was er draufhatte, würde der Abend ziemlich öde werden. Aber sie wollte sich ja auch nicht amüsieren, sondern dafür zu sorgen, dass er trank und sie mit nach Hause nahm.
Zwei Stunden und etliche Scotch später war sie ihrem Ziel ein Stück näher gekommen. Sie dankte den Jungs ihrer Einheit im Stillen dafür, dass sie ihr das Trinken beigebracht hatten. Wenigstens wurde er mit jedem Glas witziger und charmanter. Sie bestellte gerade eine neue Runde, als Maxton sagte: »Du bist eine außergewöhnliche Frau. Was sagtest du, was du beruflich machst?«
Tatsächlich war sie seiner Frage diesbezüglich bisher ausgewichen. Aber der Alkohol entspannte sie zunehmend und so sagte sie: »Ich bin eine Navy Seal A.D.«
Er hob abwehrend die Hände. »Okay, verstanden. Du willst es mir nicht sagen.«
»Du glaubst mir nicht?« Ihr Blick fiel auf den Scotch. »Was meinst du, wo ich Trinken gelernt habe?«
»Brüder? Ein Ex? Das Leben? So wie ich auch?« Um ihr zu demonstrieren, was er meinte, leerte er das Glas in einem Zug. »Dafür brauche ich kein Seal zu sein.«
»Du kannst es glauben oder nicht. Das ändert nichts daran, dass es die Wahrheit ist.«
»Dann werde ich dir wohl glauben müssen. Kannst du deshalb deinen linken Arm nicht bewegen?« Fragend sah er auf ihre Schulter. »Was ist passiert?«
Er war ein besserer Beobachter, als ihr lieb war. »Eine Verletzung in Somalia. Wir wollten eine Bastion der islamistischen al-Shabaab-Miliz stürmen und das verlief nicht ganz nach Plan. Immerhin habe ich überlebt. Das Glück hatten nicht alle.«
Sein Gespür für andere ging tiefer, als sie dachte, denn er ließ das Thema ruhen und fragte stattdessen: »Du kennst dich also aus mit dem Leben von Soldaten im Feld?«
»Ein wenig«, antwortete sie augenzwinkernd.
Ein breites Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Unsere Begegnung muss Schicksal sein! Wir arbeiten gerade an einem neuen Spiel und dafür könnten wir Informationen aus erster Hand gut gebrauchen. Die Hauptfigur ist ein Soldat oder eine Soldatin einer Spezialeinheit. Du könntest uns viel Recherche ersparen.«
»Das könnte ich wohl.« Sie nippte an ihrem Scotch und deutete auf sein leeres Glas: »Gibst du auf?«
»Ist das so eine Seals Sache? Den Mann unter den Tisch trinken?«
Zwinkernd antwortete sie: »Ich muss schließlich wissen, mit wem ich es zu tun habe. Du weißt doch, was man sagt: Betrunkene und kleine Kinder sagen immer die Wahrheit.«
Sein Lachen ließ ihren Bauch kribbeln. »Challenge accepted. Es geht um meine Ehre.«
Eine weitere Stunde später war klar, dass sie gewinnen würde. Sie musste dafür sorgen, dass sie jetzt zu ihm gingen, sonst würde ihr Plan nicht gelingen. Also beugte sie sich zu ihm, achtete darauf, dass ihre Brüste ihn berührten und flüsterte ganz nah bei seinem Ohr: »Wie wäre es, wenn wir bei dir weiterfeiern?«
Wie selbstverständlich legte sich seine Hand um ihre Hüfte und er zog sie ein wenig näher zu sich heran. »Erst muss ich wissen, was ich bekomme.« Mit diesen Worten senkte er seine Lippen auf ihre. Obwohl sie mit dem Kuss gerechnet hatte, traf er sie doch völlig unvorbereitet. Sanft, aber bestimmt verlangte seine Zunge Einlass, den sie nur zu gerne gewährte. Denn auch wenn sie es nicht zugab, der Scotch zeigte bei ihr deutlich mehr Wirkung, als er das noch vor einem Jahr getan hatte. Sie war jung und frei, hatte gefährliche Einsätze überlebt und Maxton gefiel ihr. Also, warum sollte sie sich nicht einen kleinen Moment der Schwäche erlauben und ihn zurückküssen? Seine Hand fuhr von ihrer Taille zu ihrem Po und drückte mehrfach fest zu. Ihr Unterleib zog sich schmerzhaft zusammen, begann zu pochen und sie hörte sich leise stöhnen. Solche Gefühle hatte sie viel zu lange unterdrückt. Sie wollte eindeutig mehr.
Da löste er sich von ihr und sah ihr in die Augen. »Mir gefällt, was ich bekomme.« Er küsste sie noch einmal, warf achtlos zwei Hundertdollarscheine auf die Theke und legte einen Arm um ihre Taille.